Ich finde die journalistische Glanzleistung auch absolut Klasse micha. *ironiemodusaus*
Es wird ein langer Text was jetzt kommt. Es ist kein Thema, das ich einfach so abhandeln möchte, ohne Background-Wissen.
Wir lesen und hören immer: "Die Ausländischen Vereine haben sich Jahrelang selber ausgegerenzt. Sie blieben lieber unter sich..." Dies ist ein Vorwurf der nur teilweise stimmt. Gerade was die Jugendarbeit anbelangt, hat man es als Newbie im Sauerland nicht einfach. Wenn dann auch noch die Führungsriege manche Fehler, aus welchen Gründen auch immer, nicht im Keim erstickt, dann wird die Luft dünn.
Gerade bei uns Migranten, insbesondere aus dem Kleinasiatischen Teil der Welt ist es sehr schwierig, vernünftig einen Verein nach Deutschen Maßstäben aufzubauen. Einen treffenden Artikel, den der Sportjournalist Islam Kara auf Türkisch veröffentlicht hat, habe ich ins Deutsche übersetzt und auf unserer Webseite veröffentlicht. Hier kann man lesen, was die Hauptprobleme in Vereinen "mit Migrationshintergrund" insbesondere aus dem Türkischen Raum sind. Artikel "Ja" zu Deutschen, "Nein" zu Türken
Das dieses vermeintlich halbgescheite Geschwätz der Politiker nun so hohe Wellen schlägt, ist für Leute die nicht über den Tellerrand hinausschauen können ein gefundenes Fressen. Ich wurde auf diesem bei Facebook veröffentlichten Artikel bei einer sich "Solidarisch" zeigenden Mannschaft aus dem MK auch markiert. Den Protest den eine der betroffenen Mannschaften kundtut, finde ich gar nicht mal so verkehrt. Somit wird wenigstens etwas ins Bewusstsein der insbesondere als Mitglieder dieser Vereine betroffenen Bevölkerung gerufen. Nämlich die Chronisch klammen Kassen der "Migrantenvereine".
Seit etwa Drei Jahren bin ich bei Türkiyemspor Neheim-Hüsten involviert. In diesen Drei Jahren habe ich mehrere Umbrüche erlebt. Manches habe ich vielleicht als Gedankenanstoß initiiert, manches habe ich mitgetragen und manches zur Reife mit ausgearbeitet.
Beispiele dazu sind unten aufgeführt welche z.B. die Saison 2014-2015 betreffen. Wir haben aktuell nur eine Seniorenmannschaft. Aus Rücksicht auf benachbarte Vereine, haben wir sichere A-Jugendspieler nicht aufgenommen, haben sogar zwei die ihren Pass schon bei uns hatten abgegeben, damit sie nicht bis zum Seniorenalter versauern müssen. In den Jugendabteilungen ab B-Jugend herunter wäre ich aktuell der alleinige qualifizierte Trainer gewesen, wenn ich die Lizenzprüfung abgelegt hätte. Wie schwer es ist Jugendtrainer zu bekommen, brauche ich euch wohl nicht erzählen. Da ich die Zeit aber für unseren in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal von leere glänzenden Seniorentrainer-Posten und den von jetzt auf gleich einfach unbesetzt gebliebenen Mannschaftsbetreuer-Posten benötigt habe, habe ich die Prüfung sausen lassen. Wenigstens habe ich die Schiri-Prüfung gemacht und bestanden, kann aber aus gesundheitlichen Gründen noch nicht pfeifen. Das waren die Negativen Dinge, die eben zu solchen Missständen führen, wie sie in Meschede angeprangert werden.
Nun zu den Positiven Dingen, was das Thema Integration anbelangt.
Die erste Amtshandlung von mir war die gesamten Bekanntmachungen etc. auf Deutsch zu veröffentlichen, wie es sich für einen Eingetragenen Verein in Deutschland auch gehört. Türkisch wird nur noch als zweite Sprache genutzt. Wir haben 7 Vorstandsmitglieder, davon sind 3 Deutsche (2. Vorsitzender, Geschäftsführer, Kassenwartin), 2 Eingebürgerte Deutsche (1. Vorsitzender, Spielervertreter) und 2 Türken (stellv. Kassenwartin, Beisitzer). Wie man an der Schreibform bereits erkennt, sind Zwei Frauen im Vorstand.
Unsere einzige Mannschaft besteht aktuell aus 43 Spielern, wovon natürlich nicht alle eingesetzt werden aber immer parat sind, wenn es darauf ankommt.
Wir haben 11 Türkische Staatsbürger in der Mannschaft, wovon 6 aus verschiedenen Gründen (Studium, Schichtarbeit, Alter) auf Abruf eingesetzt werden, 3 sporadisch und nur 2 fest im Kader sind. Und von diesen Zwei ist einer Kurde.
17 Spieler sind Deutsche mit Türkischen Wurzeln, haben teilweise sogar beide Staatsbürgerschaften von Geburt an. Davon sind 5 fest im Kader, der Rest wie aus oben genannten Gründen nicht immer Verfügbar, oder auf Abruf.
9 Spieler sind Deutsche mit Migrationshintergrund, deren Familien aus Albanien, Montenegro, Russland, Serbien, Mazedonien, Kosovo und nicht zuletzt aus Italien stammen. Bis auf einen sind diese fest im Kader.
Darüberhinaus haben wir je einen Spieler aus Spanien, Russland und aus Serbien, welche auch fest im Kader sind.
Und oh Wunder wir haben drei Deutsche Spieler wovon einer noch nie gespielt hat, der andere sporadisch dabei ist und einer fest im Kader ist.
Wir haben somit 19 Stammspieler, mit einem überwältigenden Anteil von 74% Deutschen. Das sind knapp Drei Viertel des Stammkaders!
Daher haben wir uns den Zusatz "Die bunte Mannschaft aus dem Sauerland" zugelegt. So bunt wie wir ist glaube ich keine andere Mannschaft in der Umgebung, ich lasse mich aber gerne eines besseren belehren.
In einem Verein dessen Vorstand zu 72% und deren Stammkader aus 74% Deutschen Staatsbürgern besteht, sehen wir die Integration als gelungen an. Daher ziehen wir uns einen solchen Schuh wie in dem genannten Artikel auch nicht an.
Ein Verein wie unserer der 1996 gegründet wurde, hätte eigentlich viel weiter sein können. Die Jugendarbeit wurde seinerzeit auch zaghaft begonnen und auch eine Zweite Mannschaft gab es mal. Aber das ist alles lange her und wurde seitdem auch nicht wiederholt. Seit etwa dreieinhalb Jahren hat sich Türkiyemspor Neheim-Hüsten aus der Hegemonie der Neheimer Moschee gelöst. Seitdem agieren wir wirklich Eigenständig, was die Entscheidungsfindungen im sportlichen Bereich anbelangt. Ich sage nicht, das die Zeit bis zur Lossagung geschadet hat, aber genutzt hat es nicht in dem Maß wie es eigentlich hätte sein sollen. Zu lange waren zu wenig von der Materie der Vereinsarbeit verstehende Köpfe in der Führung, vieles wurde bereits im Keim erstickt, egal wie legitim es von der sportlichen Warte oder im Sinne der positiven Vereinsentwicklung betrachtet aussah. Zu sehr wurde das Türkische in den Vordergrund geholt. Und dieses Problem hatte nicht nur Türkiyemspor Neheim-Hüsten.
Integrationsarbeit geht nur miteinander und nicht gegeneinander. Und genau da sind auch alle anderen ins Boot zu holen, die von uns verlangen das wir uns integrieren sollen. Das heißt also jeder von uns ist dafür Verantwortlich und das es offensichtlich geht, hat ja micha in seinem Beispiel auch angeführt.
Aktuell erleben wir den 25. Jahrestag des Mauerfalls, an dem ich persönlich zarte 19 Jahre alt war und mich an diese bewegenden Momente sehr gut erinnere. Ich habe die Mauer noch selber erleben dürfen, die Schneise mitten durch Deutschland, egal ob in Berlin oder im Harz auf Klassenfahrt. In Gedenken an die Maueropfer haben wir unser heutiges Meisterschaftsspiel gegen den SV Holzen mit einer Schweigeminute begonnen. Video zum Gedenken an die Maueropfer
Morgen ist der 76. Todestag von Mustafa Kemal Atatürk, des Staatsgründers der Türkei. In Gedenken an ihn haben wir unser Titelbild und unser Profilbild auf facebook geändert.
Indem wir nicht vergessen wo unsere Wurzeln sind, sind wir mitten in Deutschland angekommen. Wir gehen mit sicheren Schritten aus der Tradition in die Zukunft. Und jeder kann uns dabei begleiten, der diesen Weg mitgehen möchte.