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Donnerstag, 18. April 2024

Die besonderen Besitzstrukturen im deutschen Fußball

25.04.2014 - 07:27 Uhr • micha       

Es gibt in Deutschland ein altes Sprichwort - treffen sich drei Deutsche, so gründen diese einen Verein. 23 Millionen Menschen sind in Deutschland nach neuen Zahlen in knapp 600.000 Vereinen engagiert. Viele dieser Vereine sind Fußball-Clubs. Ohne das Engagement ihrer Mitglieder würden sich die Besitzstrukturen im deutschen Fußball nicht erklären lassen.

Ist Deutschland eine "Oase" der Fußball-Romantiker? Es scheint so, aber natürlich ist das Bild weit differenzierter.  Während in anderen Ländern - zumal in England - etliche Vereine von Investoren aufgekauft wurden, ist dies hierzulande wegen der besonderen Regelungen nicht möglich. Wie genau die Besitzverhältnisse im deutschen Fußball aussehen, welche Rollen Fans dabei spielen und welche Konsequenzen dies hat, wollen wir im Folgenden untersuchen.

Die Rolle der 50 + 1 Regel im deutschen Fußball

Die Besitzstruktur im deutschen Fußball lässt sich am einfachsten über die 50 + 1 Regel der Deutschen Fußball-Liga erklären. Kurz zusammengefasst besagt diese, dass eine Profimannschaft nur dann eine Lizenz zum Spielbetrieb bekommt, wenn der dahinter stehende eingetragene Verein (und damit die Fans) mindestens 50 Prozent und eine Stimme Anteile in einer Kommanditgesellschaft halten.  In den meisten Fällen bedeutet dies, dass die Profimannschaften zu 100 Prozent im Besitz des Muttervereins sind. Es gibt dabei allerdings durchaus Ausnahmen: Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg sind beides Werksmannschaften und gehören zu Konzernen (Bayer bzw. Volkswagen). Weitere könnten langfristig hinzu kommen, da ein Investor, der sich 20 Jahre lang in einem Verein engagiert, die Mehrheit übernehmen darf.

Nur der FC Bayern München und Borussia Dortmund sind Aktiengesellschaften. Der Serienmeister aus Süddeutschland besitzt dabei die übergroße Mehrheit der Kapitalanteile - mit Adidas, Audi und Allianz als Minderheitsteilhaber (Allianz hat erst im Februar 8,33 Prozent der Anteile erworben). Der Konkurrent aus dem Ruhrgebiet wiederum ist den umgekehrten Weg gegangen - der Verein selbst verfügt nur über einen geringen Anteil der Aktien an der börsennotierten Profimannschaft, während sich der übergroße Teil in Streubesitz befindet - zumeist Fans des Vereins, da der Aktienkurs keine großen Wertsteigerungen ermöglichte. Einen dominierenden Teilhaber gibt es nicht, bei BWIN kann man dennoch darauf Wetten abschließen, ob in der Zukunft noch weitere hinzukommen.

Die 50 +1 Regel hat aber durchaus seine Kritiker - und konsequent ist sie auch nicht immer. Zwar will die DFL mit dieser Regelung verhindern, dass englische Verhältnisse auch in Deutschland eintreten - das heißt, dass ein Investor aus Übersee über Wohl und Wehe einer Profimannschaft entscheidet. Tatsächlich trifft dies allerdings bei einigen Vereinen durchaus zu. So hält SAP-Gründer Dietmar Hopp 96 Prozent der Anteile an der TSG Hoffenheim. Und auch wenn er nur 49 Prozent der Stimmenanteile hält, ist klar, dass der Bundesliga-Verein aus Südwestdeutschland von ihm abhängig ist. Als der Fußballprofi Gustavo von Hoffendem nach München wechselte, soll Hopp daran entscheidenden Anteil gehabt haben - Trainer oder gar Fans konnten kein Wort mitreden.

Beim RB Leipzig schaut die DFL indes ganz genau hin. Das RB steht hier zwar offiziell für RasenBallsport Leipzig, tatsächlich aber stammt diese Abkürzung natürlich vom Investor in den Drittligisten, der Getränkehersteller "Red Bull", der auch in Österreich, den USA und in Ghana aktiv ist. Zuletzt hieß es, dass RB Leipzig möglicherweise keine Lizenz für die Zweite Liga bekommen könnte. Der Grund: Mitglieder hätten in dem eingetragenen Verein kaum Mitwirkungsmöglichkeiten. Warum dies so ist, zeigt sich an der Satzung von RB Leipzig. Der Mitgliedsbeitrag liegt bei 800 Euro (zum Vergleich: der FC Schalke 04 verlangt von seinen knapp 130.000 Mitgliedern höchstens 50 Euro im Jahr), und der Vorstand kann jeden Mitgliedsantrag ohne Begründung ablehnen. Die Konsequenz: Während bei Bayern München 224.000 Menschen mitmachen, sind es bei RB Leipzig gerade einmal neun. Schärfster Kritiker an der Regelung ist Martin Kind, Präsident von Hannover 96. Sein Kritikpunkt: Die Besitzverhältnisse im deutschen Fußball zementieren den Status Quo, kleine Mannschaften (wie Hannover) haben kaum eine Chance zum Aufstieg.

So funktionieren die Mitspracherechte der Fans im deutschen Fußball

Da Fußballclubs eingetragene Vereine sind, muss es alljährlich eine Mitgliederversammlung geben. An zwei Beispielen - dem Hamburger SV und dem Schalke 04 - lässt sich dabei gut erklären, wie diese funktionieren.

Als der FC Schalke 04 im vergangenen Jahr seine Mitgliederversammlung erstmals in der rund 60.000 Zuschauer fassenden Veltins-Arena durchführte, fanden aktive Fan-Vertreter dies ausgesprochen suspekt. Das verwundert zunächst: Was soll daran so schlimm sein, dass mehr Fans die Chance haben, die Versammlung zu besuchen? Doch viele Fans glaubten, dass der Vorstand diesen Schritt tat, um kritische Stimmen zu unterdrücken. Es gab einigen Grund für diese Annahme: Der Verein hatte kurz zuvor eine Vereinbarung mit der umstrittenen Ticketbörse Viagogo abgeschlossen. Der Vorstand musste sich deshalb bei der Versammlung beschimpfen lassen, wie das Internetportal "Der Westen" schrieb. Bei einer Abstimmung zeigte sich, dass die Mehrheit der anwesenden Mitglieder gegen eine Kooperation mit "Viagogo" war. Der Verein hielt zwar zunächst an der Vereinbarung fest, suchte aber wenige Wochen später die erstbeste Möglichkeit, um aus der Kooperation auszusteigen. Die Fans hatten Recht bekommen.

Auch die Fans und Mitglieder des Hamburger SV hatten jüngst die Möglichkeit, entscheidend mitzubestimmen, wie die Zukunft des zuletzt chronisch krisengeplagten Vereins - dem einzigen Team, das schon seit Anbeginn in der Bundesliga spielt, ohne je abgestiegen zu sein - aussehen könne. Bei der Mitgliederversammlung im Januar standen mehrere Konzepte zur Abstimmung. Es gewann das Konzept "HSV Plus", das eine Ausgliederung der Profis und eine Umwandlung in eine Aktiengesellschaft vorsieht. Damit sei es laut "Abendblatt" möglich, Investoren anzulocken. Die 50 + 1 Regel soll in Hamburg aber noch einmal fest in die Satzung geschrieben werden, umso eine Übernahme durch einen "Scheich oder Oligarchen" grundsätzlich  zu verhindern.

Ist der deutsche Fußball auf europäischer Ebene konkurrenzfähig?

Martin Kind nennt noch einen weiteren Grund, warum ihn die auf den Fan fokussierten Besitzstrukturen im deutschen Fußball stören: Der deutsche Fußball sei auf europäischer Ebene nicht konkurrenzfähig, sagte er in einem Interview im Jahr 2011. Das Argument dürfte mittlerweile überholt sein. 2013 war das Champions League Finale eine rein deutsche Angelegenheit. In diesem Jahr schafften es vier Teams aus der Bundesliga - Bayern München, Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen und der FC Schalke 04 - ins Achtelfinale des wohl härtesten Fußballwettbewerbs der Welt. Bei Wettanbietern sehen die Wettquoten für deutsche Clubs entsprechend gut aus.

Der Grund, warum deutsche Teams in der Champions League wieder vorne mit dabei sind: Zwar können deutsche Clubs mit Ausnahme vom FC Bayern kaum mitbieten, wenn es um die absoluten Topstars im Fußball geht - die spielen lieber in Spanien oder in England. Aber das Beispiel Italien mit seinen kriselnden Vereinen zeigt, welche Vorteile der deutsche Fußball hat. Die meist solide wirtschaftenden Clubs in Deutschland können durchaus höhere Saläre stemmen und zahlen vor allem regelmäßig. Die vollen Stadien mit ihren für die echten Fans erschwinglichen Eintrittspreisen (auch das eine Konsequenz daraus, dass Clubs eingetragene Vereine sind und die Fans mitreden können) dürften ebenfalls eine Rolle spielen. Die  Bundesliga ist deshalb zwar nicht die beste Liga der Welt, gehört aber zu den absoluten Fußball-Topligen.

Gibt es einen Status Quo im deutschen Fußball?

Während sich deutsche Clubs in der Champions League durchaus gut verkaufen, sieht es in der Europa League anders aus. Dies liegt genau an dem Kritikpunkt, den Hannover-Präsident Kind genannt hat. Es gibt einen "Status Quo" im deutschen Fußball, der sich kaum aufbrechen lässt. Der FC Bayern ist der dominierende Verein der Bundesliga, dahinter steht Borussia Dortmund. Auch Schalke, Leverkusen und mit Einschränkungen Werder Bremen und der VfL Wolfsburg spielen meist um die vorderen Plätze mit. Dahinter gibt es häufig eine große Kluft. Immer wieder spielen Teams in der Europa League, die im internationalen Maßstab kaum mithalten können - in diesem Jahr zum Beispiel der SC Freiburg sowie Eintracht Frankfurt. Die Hessen schafften es dabei immerhin in die Zwischenrunde.
Diese Besitzstrukturen aufzubrechen, dürfte aber auch dann nicht einfach werden, wenn Vereine dem Einfluss der Fans entzogen werden würfen und Investoren das Sagen hätten. Investoren interessieren sich für die großen Clubs mit vielen Fans und möglichst internationaler Bekanntheit. Der Aufstieg von Manchester City in den vergangenen Jahren ist die Ausnahme, nicht die Regel. Ansonsten spielen in England trotz der zahlreichen Investoren die gleichen Vereine oben mit. Ob Hannover für einen Investor so attraktiv ist wie ein Premier League Club, sei dahingestellt.



Ausblick: Was ändert sich in Zukunft an den Besitzstrukturen im deutschen Fußball?

Angesichts der oben erläuterten 50 + 1 Regel dürfte sich langfristig nicht viel an den Besitzstrukturen im deutschen Fußball ändern, auch wenn etwa Hannover 96 darauf spekuliert, langfristig solvente Investoren ins Boot zu holen. Aber sofern der DFL seine Satzung nicht ändert oder ein Gericht sie kippt, bleibt es vorerst bei Hertha BSC Berlin, wo Finanzinvestor KKR im Januar für rund 60 Millionen Euro einen zehnprozentigen Anteil am Hauptstadtclub erworben hat. Minderheitsgesellschaftern - so wie bei Die "Welt" erwartet, dass noch weitere Fußballvereine dem großen Geld erliegen werden - wie etwa der HSV.
Das ist aber Zukunftsmusik - und auch wenn ein Minderheitsgesellschafter mit im Boot sind, werden die Fans weiterhin ein Wort in ihren Vereinen mitreden dürfen.





 
 

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