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Donnerstag, 28. März 2024
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    Foren-Übersicht -> Fußball vor 60 Jahren -> Fußball nach dem Kriege 1945 - Zuschauerzuspruch, Idealismus, Finanzen

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Babi    Offline
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Angemeldet: 10.10.2008
Beiträge: 2388
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#1 - Fußball nach dem Kriege 1945 - Zuschauerzuspruch, Idealismus, Finanzen

Angeregt durch einige Fragen im Thread zum 17. Spieltag der KL A Arnsberg 1949/50 begann ich, darauf eine Antwort zu schreiben, bei deren Verfassung ich allerdings den Eindruck gewann, dass es dieses Thema durchaus wert wäre, innerhalb eines eigenen Threads, also diesem, behandelt bzw. diskutiert zu werden. Über weitere Meinungen/Informationen (eventuell sogar von Zeitzeugen jener Epoche) würde ich mich sehr freuen. Folgende Fragen wurden von dem User Mark aufgeworfen:

Mark hat folgendes geschrieben:
[...]Ist eigentlich jemandem bekannt, ob das überhaupt um die Zeit jemanden interessierte? Ich meine hatten die Leute damals genug Zeit und (Fahrt-)geld, um sich die Spiele anzuschauen? Wie haben die Spieler diese, für damalige Verhältnisse, doch recht weiten Fahrten finanziert?

Zu Frage 1 (und im Grunde auch Frage 2):
Wenn ich danach gehe, was ich so über diese Zeit gelesen habe (und andere Informationen kann ich leider nicht bieten), war Fußball der Zeitvertreib überhaupt. Zum Volkssport hatte er sich ja bereits in den 20er Jahren entwickelt, was durch die Vereinheitlichung in den 30ern (nur noch ein Verband statt mehrerer) und die Einrichtung einer obersten Spielklasse je Gau (entspricht ungefähr einem heutigen Landesverband, z.B. die Gauliga Westfalen, zu deren Gründungsmitgliedern SuS Hüsten 09 gehörte) noch gefördert worden war. Denn natürlich hatte das damalige Regime die (ablenkende) Wirkung dieses Sports auf die Massen erkannt. So gehörte Fußball im Krieg zu den letzten Sportarten, die (fast) bis zum Ende betrieben wurden (in unserer Region ca. bis Ende 1944, soweit mir bekannt). So war es nicht verwunderlich, dass sich bereits kurze Zeit nach Kriegsende diese Kräfte wieder zu regen begannen und vereinzelt Fußball(freundschafts)spiele ausgetragen wurden.

Z.B. begann Schalke 04, die wohl berühmteste (deutsche) Mannschaft jener Zeit, Ende Juli 1945 wieder mit dem Spielbetrieb, und auf ihren Reisen (die Glückauf-Kampfbahn war im Krieg zerstört worden) zogen sie regelmäßig 1.000e, teilweise sogar 10.000e Besucher an. Auch im Sauerland sorgten sie im Juni 1946, als sie in der Kampfbahn Hüsten-Ost gegen eine Sauerlandauswahl (die sich aus Spielern von Iserlohn bis Warstein zusammensetzte) antraten, für die wahrscheinlich höchste Zuschauerzahl, die jemals im Sauerland erreicht worden ist: 20.000 (sicherlich nur geschätzt) umsäumten das Spielfeld, es waren sogar Waggons auf die sich neben dem Platz befindenden Bahngleise geschoben worden, um mehr Menschen das Zusehen zu ermöglichen. Die Auswahl unterlag übrigens erst in der letzten Minute mit 2:3 (das nur am Rande).

Kommen wir zurück zum Sauerland: Folgende Info hatte ich gesucht (und zum Glück auch gefunden): Auf der Jahresfußballtagung des Kreises Arnsberg gab der Kreiskassierer bekannt, dass zu den Spielen der Bezirksligavereine in der Saison 1949/50 über 100.000(!) Zuschauer zu verzeichnen waren. Leider lässt sich aus dieser Info nicht erkennen, ob damit die Gesamtzuschauerzahl der (damals) 2 Sauerlandbezirksligen, nur die der Staffel 2 (östliches Sauerland) oder sogar nur jene der Vereine des Kreises Arnsberg gemeint ist (7 "Arnsberger" Vereine spielten damals in dieser Liga).

Daraufhin habe ich mir ein paar alte Spielberichte jener Zeit angesehen und auch ein paar Zuschauerzahlen gefunden (alle aus der Bezirksligasaison 1949/50): Bruchhausen-SF Neheim [mehr als 3000 Z.], Fröndenberg 09-Hüsten 09 [4000 Z.], SF Neheim-SV Brilon [über 3000 Z.], Arnsberg 09-Bruchhausen [über 3000 Z.], Sundern-SF Neheim [rund 2500 Z.], Wickede-Fröndenberg 09 [2000 Z.], Hüsten 09-Bruchhausen [ca. 3000 Z.], SF Neheim-Finnentrop [ca. 2000 Z.], Hüsten 09-Sundern [ca. 2000 Z.], SF Neheim-Hüsten 09 [6000 Z.], SF Neheim-Arnsberg 09 [gut 3000 Z.].

Beim Betrachten dieser Zahlen gewinne ich den Eindruck, dass mit der Angabe "über 100.000 Zuschauer" durchaus nur jene Zuschauerzahl der 7 Arnsberger Bezirksligisten gemeint sein könnte, was ich natürlich nicht mit Bestimmtheit sagen kann (aber allein Hüsten 09 oder die SF Neheim dürften mit solchen Zahlen bei 15 Heimspielen schätzungsweise jeweils um die 25.000 Zuschauer durchaus erreicht haben). Über die Kreisliga A habe ich leider keine Infos gefunden, jedoch glaube ich, dass bei regelmäßig 1.000en Zuschauern in der Bezirksliga der Zuspruch in der Kreisliga nicht dermaßen stark abgesunken sein wird, es dürften dort also schon häufiger 100e Zuschauer die Spiele besucht haben (wie gesagt, ist nur eine Annahme von mir).

Meine Antwort auf die Frage 2 ist im Grunde oben mit enthalten, bei sovielen Zuschauern allein in der Bezirksliga müssen sowohl die Zeit als auch das Geld vorhanden gewesen sein. Bei der Zeit ist (von meiner Seite) anzumerken, dass die Spiele (fast) immer nur an Sonntagen (sowie an Feiertagen) ausgetragen wurden, da es damals kein Flutlicht gab (wenn ich mich richtig erinnere, wurden im Sauerland die ersten Anlagen in den 60er Jahren installiert); auch Samstagsspiele waren sehr selten.

Zu Frage 3:
Ich glaube, es ist für uns heutzutage einfach nicht vorstellbar, welcher Idealismus zu jener Zeit vorhanden gewesen sein muss, um Fußball zu spielen bzw. zu ermöglichen (dies ist keine Kritik an Dir, Mark, es gilt für mich gleichermaßen). Damals wurde alles möglich gemacht, nur um zu spielen. Genehmigungen von den Besatzern wurden eingeholt (um Fahrten über 20 Kilometer zu ermöglichen, welche nach dem Krieg genehmigungspflichtig waren), mit Holz betriebene LKWs wurden aufgetrieben (Benzin war rationiert), oder man setzte sich aufs Fahrrad, um zum Spielort zu gelangen. Manchmal ging man auch zu Fuß.

Auch die Gesamtsituation Deutschlands sollte man vielleicht hierbei in Betracht ziehen: Der Krieg hatte alle Reserven aufgezehrt, Not herrschte allerorten; die Knappheit betraf alle Bereiche des Lebens, ob Nahrung, Kleidung oder andere Ge- und Verbrauchsmittel. Für alles gab es Karten, für die z.B. genau bestimmte Mengen an Nahrung herausgegeben wurden. Das Sauerland, als ländlich geprägte Gegend, hatte hierbei sogar einen Vorteil, da vieles selbst angebaut werden konnte. Auch für den Fußballspielbetrieb erwies sich dies als nützlich, denn man war in der Lage, z.B. Trikots, Bälle oder Schuhe gegen den Tausch von Naturalien zu erhalten.

Man brauchte in diesem Sinne also gar nicht in dem Maße finanzielle Mittel für die Fahrten, der Fahrer eines LKWs bekam z.B. einen Sack Kartoffeln als Entgelt, und war Geld doch mal nötig, dann schmissen die Spieler einige Pfennige/Mark zusammen. Und wenn ein Spieler dabei war, der keine Arbeit hatte (oder aus anderen Gründen kein Geld), dann legten die anderen eben etwas mehr in den "Pott". Es herrschte echte Kameradschaft, man spielte gemeinsam, verlor und gewann und das Trikot des jeweiligen Vereins trug man mit Stolz, die Vereinsverbundenheit war sehr hoch (Vereinswechsel waren selten).

Soweit meine Ausführungen zu diesem Thema. Die Angaben sind natürlich ohne Gewähr, manches habe ich nachgesehen, aber einiges nur aus der Erinnerung heraus geschrieben, und jeder kann sich mal irren (ist mir ja schon einige Male passiert). Jetzt weiss ich allerdings nicht, ob Du, Mark, Dich mit Deinen Fragen nur auf die Saison der Kreisliga A Arnsberg bezogst; falls ja, sind die obigen Informationen natürlich als wertlos zu betrachten (aber vielleicht trotzdem interessant).

  02.04.2010 - 16:42 Uhr
 
micha    Offline
Administrator


Angemeldet: 27.02.2007
Beiträge: 8718
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#2 - Re: Fußball nach dem Kriege 1945 - Zuschauerzuspruch, Idealismus, Finanzen

Babi, das ist mal wieder ein sehr starker Beitrag von dir, der hoffentlich von Suchmaschinen indiziert wird, damit auch viele Leute in den Genuss kommen, das hier zu lesen. Da mache ich mir bei dem Content aber wenig sorgen, der Thread hier ist mit bestimmten Suchbegriffen sicher schon morgen bei Google zu finden. ;)

Sehr interessant und jetzt wäre es echt genial, einen Zeitzeugen hier zu haben, der uns das vielleicht weiteres aus erster Hand berichten könnte. Denke aber, die Wahrscheinlichkeit ist eher gering. Das muss man sich mal vorstellen, welche Einstellung zum Leben, zum Beruf und zum Hobby die Menschen damals hatten und heute ist es schon vielen schon zu viel, wenn man mal auf nem Aschenplatz oder etwas schlechteren Rasen spielen muss. Da sollte man mal drüber nachdenken!


Dieser Beitrag wurde zuletzt geändert von micha - 02.04.2010 - 17:08 Uhr
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  02.04.2010 - 17:07 Uhr
 
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Babi    Offline
Ehrenpräsident
Themenstarter
Moderator

Angemeldet: 10.10.2008
Beiträge: 2388
Verein: kein Verein



#3 - Re: Fußball nach dem Kriege 1945 - Zuschauerzuspruch, Idealismus, Finanzen

Vielen Dank. Noch schöner wäre es, wenn der Beitrag nicht nur von vielen gelesen wird, sondern auch Reaktionen hervorruft. Dann lässt sich, denke ich, besser abschätzen, ob der Beitrag interessant, hilfreich oder womöglich unsinnig war. Die Chance, dass wir hier Zeitzeugen haben, die davon berichten können, halte ich leider auch für gering.

Die "Probleme", die wir heute haben bzw. über die wir uns auslassen, sind tatsächlich nicht mit jenen der damaligen Zeit zu vergleichen, sie wirken geradezu harmlos. Im Grunde können wir froh sein, wenn man kein dringenderes Problem hat, als z.B. mal auf einem schlechten Rasenplatz zu spielen.

  03.04.2010 - 11:44 Uhr
 

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